Das Ende der Intelligenz? Fragen und Vorschläge zum Umgang mit Covid-19.
Ein Betrunkener sucht nachts im Lichtschein einer Laterne nach seinem Autoschlüssel. Ein Passant bietet seine Hilfe an. „Wo genau haben Sie ihn denn verloren?“ „Dort hinten“ deutet der Betrunkene auf einen Ort hinter sich im Dunkeln. „Wieso,“ wundert sich der Passant “ suchen Sie ihn dann hier? Das bringt doch nichts.“ „Hier sehe ich wenigstens etwas“ antwortet der Betrunkene.
Deutschland torkelt durch die Corona-Krise und sucht nach der Lösung.
Seien wir ehrlich: Die bisherigen Maßnahmen greifen nicht. Restaurants, Fitness-Studios, Sportstätten, sogar der Unterricht in Reitställen (!), Frisöre, Kosmetikstudios, Museen, Theater, Opern, Kinos, alles geschlossen, um die Covid-19 Erkrankungen zu verhindern. Aber diese flächendeckenden massiven Maßnahmen helfen nicht. Sonst müssten die Zahlen nach fast drei Monaten Lock-down drastisch nach unten gegangen sein. Das ist nicht der Fall. Diese Orte tragen anscheinend nicht oder nur unwesentlich zum Infektionsgeschehen bei. Warum werden die Maßnahmen weiterhin aufrecht erhalten, obwohl sie nicht greifen? Diese Frage kann niemand überzeugend beantworten. „Damit die Kontakte eingeschränkt werden“, wird lapidar gesagt. Aber Kontakte auf Abstand mit Hygienekonzept führen nicht zu einer Ansteckung!
Kurz zur Erinnerung: Orte der Infektion sind solche, wo viele Menschen nicht nur kurz zusammenkommen und verstärkt Tröpfchen bzw. Aerosole absondern bzw. einatmen, weil diese nicht durch Luftzufuhr verdünnt oder durch die Sonne (UV-Strahlen) vernichtet werden. [i]
Welche Maßnahmen sind sinnlos? An Orten, an denen es Belüftungen oder Klimaanlagen mit Luftabscheidern gibt und ausreichendem Abstand kann man sich nicht anstecken. Auch draußen im normalen Alltag, d.h. keine dichte Menschenmenge längerer Dauer, ist eine Ansteckung sehr unwahrscheinlich bis unmöglich. Zahllose Theater, Museen, Opern sind völlig zu Unrecht geschlossen! Das gleiche gilt für Restaurant mit Frischluftzirkulationsanlage. D.h., es ist im Restaurant frischlufttechnisch so, als säße man draußen. Es ist sinnlos, dass diese Restaurants geschlossen sind und das gilt für alle Einrichtungen mit solchen Konzepten: für alle Theater, Opernhäuser, Kinos, Museen. Dazu kommt, dass jetzt im Winter der Besuch von Sauna[ii], Schwimmbad und Fitnesseinrichtungen zur Immunkraftbildung beiträgt. Ohne diese sind wir anfälliger für Infektions-Krankheiten! In der Regierungserklärung vom 26.10.2020 wurde von „Freizeitveranstaltungen“ gesprochen. Diese sind jedoch häufig auch „Gesunderhaltungsmaßnahmen“, „Resilienzförderungs-Aktivitäten“ und „Arbeitskraftwiederherstellungshandlungen“. Corona-Maßnahmen, die die Immunkraftstärkung unterbinden (Sauna, Schwimmbad, Fitnessstudio mit Hygienekonzept) erhöhen also die Krankheitsgefährdung, statt sie zu senken!
Zudem kommen krankheitsfördernde Anti-Corona-Maßnahmen. Hier nur ein Beispiel: In den Bahnhöfen sind die Warteräume geschlossen (zur Infektionsverhinderung). In Imbissen und Cafés darf man sich aus dem gleichen Grund nicht aufhalten. Wenn ein Reisender – z.B. am Hauptbahnhof in Wuppertal – umsteigen muss, aber einen längeren Aufenthalt hat (z.B. wg. Zugverspätung, Zugausfall, Verpassen des Zugs durch Verspätung des Zubringerzugs), ist sie oder er gezwungen, im Kalten zu verharren. Es gibt keine andere Möglichkeit. Im Winter bei tiefen Temperaturen ist das selbst bei guter Kleidung krankheitsfördernd.
Warum öffnen die politischen Entscheider*innen nicht Orte, die coronasicher sind? Warum wird nicht angemessen differenziert? Sondern sogar überlegt, die Maßnahmen zu verschärfen, obwohl die Coronazahlen gerade stabil sind?
Die Verfassungsmäßigkeit vieler Maßnahmen, die weder geeignet noch angemessen noch verhältnismäßig sind, soll hier nicht erörtert werden. Verwiesen sei nur auf die Stellungnahme „verfassungsrechtliche Probleme der Corona-Bekämpfung“, Stellungnahme für die Enquete-Kommission 17/2 „Corona-Pandemie“ des Landtags Rheinland-Pfalz[iii], Georg Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn zu Hygienevorschriften am Arbeitsplatz („Bei Lüftung, Abstand und Maske am Arbeitsplatz kann Homeoffice nicht verpflichtend sein“)[iv] und das jüngste Urteil des AG Weimar[v].
In diesem Artikel geht es mir um die Frage: Wie erreichen wir als Gesellschaft eine vernünftige Risikoabwägung und eine Differenzierung der Maßnahmen?
Eine radikale Frage mitten in einem Klima der öffentlichen Meinungsdiktatur, wo gerade darum gerungen wird, was noch alles geschlossen und begrenzt werden könnte.
Ich habe den Glauben an die Vernunftbegabung in Deutschland noch nicht verloren. Angst schaltet zwar neurobiologisch den Verstand aus. Wer aus Angst und Panik handelt, ist Argumenten nicht mehr zugänglich. Es ähnelt Glaubensfragen. Wer glaubt, ist schwer zu überzeugen. Die einen glauben an die Verschwörung, die anderen an die Schließung von Kulturstätten und Fitnessstudios, egal ob es was bringt oder nicht.
Ich wende mich an die, die weder wahltaktisch politisieren noch angstgetrieben voranblinden. An vernunftbegabte risikoabwägende Verantwortliche, die den Mut haben, zu differenzieren und den Mainstream zu hinterfragen. Die, die sich noch an den Aufsatz von Kant erinnern, was Aufklärung ist.[vi]
Hier ein paar Gedanken.
„Wenn etwas nicht funktioniert, probiere etwas Anderes“ lautet ein hilfreicher Grundsatz in Organisationsberatung und Coaching.
Was könnten die Regierungen (also Bund und Länder) anderes tun als bisher? Bisher, dass ist schließen, verbieten, zumachen. Obrigkeitsstaatliche Interventionen, die an das 20. Jahrhundert erinnern. Von einer modernen Demokratie, in der „agil“ und „zukunftsfähig“ ununterbrochen propagiert wird, erwarte ich mehr als einen regulatorischen und nicht zielführenden Rundumschlag.
Was könnte man anders machen? Ein paar Gedanken:
- Alters- und Seniorenheime besser schützen, das ist klar. Schnelltests und Masken für Mitarbeitende und Besuchende, Abstand.
- Den öffentlichen Nahverkehr und die Bahn Mehr Fahrten, Zeitfenster für Zielgruppen, maximale Personenzahl pro Wagen.
- Mehr Salutoedukation
Zum einen: Wenn Menschen mit Masken auf leeren Bürgersteigen laufen und Polizisten Fahrradfahrer ohne Masken mit einem Bußgeldbescheid belegen (wie in der Friedrichstraße im Herbst geschehen!), dann wird deutlich: Ein großer Teil der Bevölkerung hat die Infektionswege nicht verstanden.
Zum anderen: Glauben die Verantwortungsträger in der Politik wirklich, dass im Berliner Wedding und Köln-Mühlheim allabendlich Anne Will, die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin und die Tagesthemen geschaut werden? Wenn man einmal verstanden hat, wie sich der Virus überträgt, ist Prävention nicht mehr schwierig. Aber dafür müsste eine zielgruppengerechte, edukative-zuwendende und nicht drohend-pönalisierende Kommunikation gewählt werden.[vii] - Statt sinnloser Verbote eine großangelegte Kampagne durch die Bundesregierung: Jede/r ist für seine bzw. ihre Gesundheit und die der anderen (mit)verantwortlich. Prävention ist das oberste Gebot. Es könnte ein Aufruf zur Stärkung der Immunkraft erfolgen: weniger Alkohol (80.000 Menschen sterben jährlich an den Folgen des Alkohols), mehr Sport, Sauna, frische Luft. Weniger Industriezuckerprodukte (die das Immunsystem schwächen), mehr Gemüse, Obst, Vollkorn (die das Immunsystem stärken). Deutschland könnte COVID-19 als Anlass zu einem gesundheitlichen Turnaround nutzen: Eine Regierungserklärung zur Gesundheitsinitiative Anti-COVID-19.
- Zu differenzierter Solidarität aufrufen.
Solidarität heißt nicht, dass alle dasselbe machen und dass alle leiden müssen, nur weil einige leiden. Wir achten aufeinander, aber wir gehen auch unsere eigenen Wege. Reitunterricht ist möglich, Chorsingen (je nach Ort) leider noch nicht. Sauna ist möglich, Boxen noch nicht. Das ist natürlich ärgerlich für die Sänger und Boxerinnen. Aber könnten wir nicht anlässlich Corona ein Miteinander üben, in dem wir uns an den sicheren Aktivitäten der anderen erfreuen und neue Wege für das (noch nicht mögliche) Eigene suchen? Wäre diese Differenzierung nicht angemessen in einem hoch entwickelten Industrieland mit hohem Bildungsstandard?
Wir müssen unsere Angst besiegen und den Mut haben, differenziert zu diskutieren, zu entscheiden und zu handeln. Dies soll ein Beitrag dazu sein. Gehen wir diesen weg, dann entstünde möglicherweise auch „eine neue Beziehung zwischen Gesellschaft und Staat“, von der das Verschlusspapier des BMI am Ende der 16 Seiten träumt, nur anders, als von den Verfassern gedacht.[viii]
Suchen wir nicht wie der Betrunkene. Suchen wir den Schlüssel an den richtigen Orten. Das wäre ein echter Turnaround ins 21. Jahrhundert. Kant wäre stolz auf uns.
Endnoten:
[i] Prof. em. Dr Karin Möller, ehem. Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie, Universität Zürich, Corona: Mehr Respekt vor Viren bitte! Radio München, 27.3.2020, 1ß7:20 Uhr. Außerdem lohnt sich die genaue Lektüre der Erkenntnisse des Robert-Koch-Instituts, um die Übertragungswege zu verstehen, www.rki.de sowie: https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4909259 zur Aerosolverbreitung.
[ii] https://www.schwimmbad.de/sauna-reportagen/saunieren-in-den-zeiten-von-corona/ mit Interviewlink zu Prof. Karl-Ludwig Resch, Gesundheitsforscher.
[iii] https://dokumente.landtag.rlp.de/landtag/vorlagen/2-12-17.pdf
[iv] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/vor-bund-laender-treffen-am-dienstag-verschaerfungen-der-corona-massnahmen-an-diesen-stellschrauben-koennte-die-politik-noch-drehen/26819836.html.
[v]Focus, Bericht am 24.2.2021 zu AG Weimar Az.: 6 OWi – 523 Js 202518/20: https://www.focus.de/politik/thueringer-urteil-bringt-regierung-in-erklaerungsnot-corona-hammer-gericht-nennt-lockdown-katastrophale-politische-fehlentscheidung_id_12899284.html.
[vi] Zur Erinnerung (die Schulzeit liegt ja schon eine Weile zurück): Aufklärung ]ist] der „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ Unmündigkeit ist das „Unvermögen sich seines Verstandes ohne die Leitung eines anderen zu bedienen“. Diese Unmündigkeit sei selbstverschuldet, wenn ihr Grund nicht ein Mangel an Verstand sei, sondern die Angst davor, sich seines eigenen Verstandes ohne die Anleitung eines anderen zu bedienen. „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ https://de.wikipedia.org/wiki/Beantwortung_der_Frage:_Was_ist_Aufkl%C3%A4rung%3F
[vii] Instruktiv: Holger Pfaff, Medizinsoziologe, https://www.tagesspiegel.de/wissen/appelle-in-der-corona-pandemie-drohkulissen-greifen-bei-einigen-gruppen-nicht-mehr/26691958.html.
[viii] Wie wir Covid unter Kontrolle bekommen, 28.4.2020. Ursprünglich ein Verschlusspapier. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid19.html.
(c) Bild: Vania Gettkant